VeltinsInKleinenFlaschenUndEinAnimalAmSchlagzeug

Ghost Woman im Urban Spree

Eigentlich war ich am Schwanken, ob ich überhaupt losgehe. Drückende Hitze, Müdigkeit und ein Konzert am anderen Ende der Stadt, das erst um 21.00Uhr mit der Vorgruppe beginnen sollte, lies meinen anfänglichen Enthusiasmus beim Kartenkauf verpuffen. Der Gedanke in Friedrichshain vorm RAW-Gelände einen Parkplatz zu suchen oder alternativ mit den Öffentlichen zu fahren, hat mich auch nicht vom Hocker gehauen, also wurde ich zu einer Alternative überedet: An der Stadtbahn parken und gerade durch bis vor die Tür mit der S-Bahn. Gesagt getan, doch als ich Westkreuz mein iPhone zücken wollte um die Sammelkarte zu aktivieren, war das nicht da! Nackte Panik und ein Gefühl wie in die Achtziger zurückkatapultiert worden zu sein, doch glücklicherweise hatte ich echte Konzertkarten, was ja auch seltener wird und etwas Klingelgeld in der Tasche, also tapfer zusammennehmen und ab in die Bahn. Was soll ich sagen? Bereits Warschauer Straße sah ich unzählige schöne Motive, die ich sofort gerne Aufgenommen hätte, aber ging ja nicht und zum Mann sagt ich, dass ich nun nicht mal einen Notruf absetzen könne, wenn wir überfallen werden, aber er zog mich unbeirrt auf diesen schmuddeligen, stinkigen Schotterhaufen, dem RAW-Gelände, auf dem sich gleich vorne das Urban Spree befindet. Ein Glück gabs Bier aus Flaschen, aus Gläsern hätte ich nur Hochprozentiges getrunken, da bin ich eigen. Eine nette Location, zwar ohne Ende abgeranzt und ein Klo, dass mich an die alten Punkläden erinnerte, damals als man ohnehin zu betrunken war sich um den Zustand dieses Örtchens zu kümmern, aber durchaus mit Charme. Dann eine Durchsage im Biergarten, dass die Vorband in 5 Minuten anfängt. Äh, wo gibt’s denn bitte so einen Service? Gemütlich an der frischen Luft sitzen und freundlich zum Konzert im kleinen dunklen Verlieskonzertraum gerufen zu werden? Pluspunkt. Dass ich einfach mal uralt bin, neben dem Boomer an der Einlasskontrolle, wurde mir aufs Brot geschmiert als ich als einzige echte Konzertkarten hinhielt, anstatt dem Handy; der zweite Rückschlag kam, als mich eine Konzertbesucherin siezte, die eigentlich auch nicht erheblich jünger war, als ich. Auch waren wir die Einzigen, die Sex Gang Children nicht shazamen mussten. Oh man. Von den seltsamen Gesprächen, die man bei einer solchen Veranstaltung abgreift will ich hier nicht erzählen, aber wir haben sehr gelacht und haben neue interne Running Gags.

Die Vorgruppe dann, okay, seltsamer Name: Zahn – Band aus Berlin und ohne Gesang. Find ich mutig und hatte ich nicht erwartet, wie auch den ziemlich großartigen qualitativ überraschenden Noiserock mit richtig gutem Sound, was für Vorband nicht unbedingt üblich ist. Überpünktlich 10 vor Neun angefangen haben sie auch, Spielzeit ca. 50 Minuten. Dann war ich allerdings auch erstmal durch mit Zahn, denn bei der Hitze ist meine Aufmerksamkeitsspanne für krachig-pinkfloydigen Wabersound auch ausgeschöpft. Nach einem Erfrischungsbier draußen und der Umbaupause ging’s dann weiter mit Ghost Woman. Eigentlich ein Soloprojekt von Evan Uschenko, letztendlich mal mit Zubehörmännern und im Augenblick mit seiner possierlichen Lieblingsfrau Ille van Dessel am Schlagzeug nur zu zweit auf der Bühne. Das Schlagzeug vorne und quer, viel Elektonik – klar kein Bass und was ne Band außer Gesang und Gitarre noch so braucht und definitiv technischen Problemen, die Uschenko dazu bewegte das Konzert zweimal mit „The End of the Gun“ zu beginnen, aber sein Computer stürzte immer wieder ab, was seine psychedelischen Background schredderte und ihn nicht amüsierte. Der Sound war dann auch etwas unausgewogen, viel psychedelischer und vermengter als auf Platte, aber alles das war egal, denn ich stand vor Ille und die entpuppte sich als Echtmensch „Animal“, die wie ihr Muppetsvorbild keine Sekunde ruhig sitzen konnte, selbst wenn sie keinen Einsatz hatte und auf ihrem Hocker tobte und wild mit den Armen fuchtelte. Auch sonst machte sie eine gute Figur an den Drums und ich muss sagen, auch wenn die beiden nur knapp eine Stunde spielten, wie schafft man das bei so einer Hitze den Rhythmus zu halten? Unglaublich. Eine Zugabe gab es nicht, vielleicht zu warm, zu viele Probleme mit der Technik oder einfach nur kein Bock mehr, wer weiß, mir hat es gefallen. 

•14.08.2023 • Urban Spree • 21.00 Uhr • Ghost Women • VB: Zahn •

2 Gedanken zu „VeltinsInKleinenFlaschenUndEinAnimalAmSchlagzeug“

  1. Spannender Bericht. Krass wie abhängig wir eigentlich mittlerweile von dem iPhone sind. Bei manchen Dingen habe ich auch immer ein Back Up in Papierform dabei (beispielsweise mein 49-Euro-Jobticket was eigentlich als Handyticket existiert, habe ich sicherheitshalber auch noch mal ausgedruckt dabei…zumindest meistens). Man weiß ja nie, wann mal wieder das iPhone spinnt oder man es – wie Du – vergisst. Hoffentlich wusstest Du wenigstens gleich, wo es ist. :))

    Heutzutage wird man ja eigentlich immer geduzt, zumindest von den Jüngeren. Das Siezen kommt eigentlich meist nur von Gleichaltrigen oder Älteren.

    1. Ja, ich hatte kurz bevor wir los gegangen sind etwas in der Tasche gesucht und prompt das Wichtigste nicht wieder eingepackt :)) Hätte ich nicht die Papierkonzertkarten gehabt, wäre ich wieder zurückgefahren, das wäre knapp hingekommen. Ich klopf mir da schon auf die Schulter, dass ich der Versuchung widerstanden habe :))
      Echt, ich finde eher, dass man mehr siezt, egal ob jung oder alt.

NurZuTrauDich!

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