36. Fantasy Filmfest
Acht Tage Kino mit ein paar Ansagen mehr, wenig Gästen dafür kleine Videoschnipsel und dreiunddreißig Filmen, die kompromisslos aneinandergereiht wurden, dass uns gerade Zeit für einmal Klo und zehn Sekunden frische Luft blieb. Die theoretischen zwanzig Minuten verdampften regelmäßig im Subraum und so blieb keine Zeit sich auszutauschen, kurz durchzuatmen, mal sacken zu lassen. Das war harte Kost, umso erstaunlicher, dass es Kreative gab, die zwischen den Tagen noch in der Lage waren etwas zu den Filmen zu schreiben und Leben zu führen. Für mich mit meinen davonigen achtundzwanzig gesehenen Filmen, blieb nur etwas Schlaf, ab und zu in die Wanne, Notfallfamilienmanagement und wieder ins Kino. Ich meine, also nicht nur ich, ein Festival ist doch auch dazu da sich wieder mit Menschen zu treffen, die überlappende Interessen haben, sich zu unterhalten, zu lachen, vielleicht auch mal einen Kaffee zu trinken, aber das war dieses Jahr wirklich extremst schwer und an vielen Tagen überhaupt nicht möglich. Nun besuchen längst nicht mehr so viele Altgediente das Festival, die bekannten Gesichter reduzieren sich rasant, der ein oder andere tapfere Überlebende zieht sich mittlerweile am Geländer hoch oder benutzt lieber gleich den Fahrstuhl zum Kino, aber gut, that’s life. Unterdes ertrage ich den Nachwuchs mit Würde, wenn er seinen Freunden ganz laut erklärt, nachdem der Trailer bereits das vierzigste Mal läuft, warum er Jeepers Creepers Reborn nicht sehen wird, weil nämlich die Handlung nach einem bestimmten Schema abläuft und er dann die Trailerszenen, von seinen noch unbeleckteren Freunden bestaunt, vorhersagt. Besser dran und in natürlicher Umgebung sind die Youngster, die nun in dem Alter sind, dass sie mit ihren eingefleischten Dauergasteltern zum Festival kommen.
Die diesjährige Positivausbeute war gefühlt recht hoch und so konnten nur wenige echte Gurken wie leider mal wieder der deutsche Beitrag, genannt „Old People“ die Laune kurzzeitig auf den Nullpunkt bringen. Ausgerechnet hier war das fast gesamte Cast anwesend (Produktion und Darsteller) und ich konnte nicht so abstöhnen wie ich es gebraucht hätte, weil auch ein Teil davon direkt neben mir saß. So hielt ich die sechsundneunzig Minuten mit Haltung durch, aber Leute, der Streifen ist schlecht, die Dialoge wie aus der Nutella Werbung, inklusive hysterischer Lachanfälle im Saal zu Vokabularverirrungen wie ein Kind „Klabautermann“ zu nennen und ein „Familienlied“ zu haben. Wer denkt sich solche Scheiße nur aus? Aber dazu mehr zu einem späteren Zeitpunkt. Das Highlight außer Konkurrenz war für mich wie für einen Großteil der Gäste sicherlich Gabriele Mainettis „Freaks Out“, der auch der Gewinner des Tele 5 Fresh Blood Awards in Berlin war und es würde nicht mit rechten Dingen zugehen, wenn die anderen Städte anders entschieden. Ein so wunderbarer Film, das mir sofort die Tränen laufen wenn ich an ihn denke, der aber leider nicht mehr im Kino zu sehen sein wird. Schande das!! Weitere Highlights waren für mich Arnaud Malherbes „Ogre“, Karim Ouelhajs „Megalomaniac“, Kristoffer Borglis „Sick of Myself“ und natürlich Choi Dong-Hoons „Alienoid“, bei dem uns unterschlagen wurde, dass wir hier nur Teil 1 zu Gesicht bekommen würden sowie der absolute guilty pleasure-Streifen Joseph und Vanessa Winters „Deadstream“.
Wenn ich wieder ausgeschlafen bin gibst natürlich mehr zu den einzelnen Filmen. Die Tage rauschten nur so dahin und nun harre ich der White Nights, denn sein wir mal ehrlich, das „normale“ Kinoprogramm ist zur Zeit mehr als schlecht.
• 36. Fantasy Filmfest • Kino in der Kulturbrauerei • 07. bis 14. September 2022 •
NurZuTrauDich!