Melancholia von Lars von Trier
Inhalt:
Die Erde wird drauf gehen, so viel ist klar. Auf seinem Irrflug durch das Weltall wird der entfesselte Superplanet Melancholia die Erde erst umfliegen und sie dann voll erwischen.
Wochen vorher:
Justine hat Michael geheiratet. Die beiden Artdirectors sind glücklich und kommen beschwingt Stunden zu spät zu ihrer Hochzeitsfeier, weil ihr zu großer Wagen nicht zum Schloss der Schwester und des Schwager durchkam. Die sind verärgert, aber besser spät als nie. Während die Stimmung erst gut ist, kippt Justines Laune exponential nach einer zynischen Bemerkung ihrer Mutter und im Verlauf der nächsten Stunden wird sie allen vor den Kopf stoßen, Mann und Job verlieren und in ihre Depressionen zurückfallen.
Tage vorher:
Claire holt die mittlerweile schwer depressive Schwester auf ihr Gut und versucht ihr zu helfen. Währenddessen bekommt die recht pragmatische Frau Angst die Wissenschaftler könnten sich geirrt haben und Melancholia könnte die Erde treffen. Ihr Mann nimmt ihr ihre Ängste und sie konzentriert sich wieder auf Justine, die sich langsam aufrappelt. Doch dann werden Claires Befürchtungen wahr und Justine offenbart ihr, dass sie es bereits wusste. Claires Mann entzieht sich dem Untergang und überlässt sie sich selbst, ihre verzweifelte Flucht mit ihrem Kind scheitert und sie kehrt Heim zu der wartenden Justine, die für die Drei ein Zauberkäfig aus Stöcken baut, in dem sie vereint sterben.
Fazit:
Manchmal kann es von Vorteil sein, einen Film zufällig und völlig unvoreingenommen zu sehen. Ok so ganz stimmt das nicht, denn bislang habe ich ziemlich konsequent einen Bogen um Lars von Trier gemacht, weil ich den Hype um ihn schrecklich fand, aber wenigstens habe ich vorher praktisch nichts über den Aufstand um seine Person oder den Film mitbekommen.
Ich muss gestehen, dass mich schon der Prolog irritierte. Ich dachte: geht das jetzt die ganze Zeit so? Ist das ein neuer Videoclip zu Wagnermucke? Sieht ja hübsch aus, aber ich will jetzt nicht endlos Symbole deuten…
Doch dann began ein Film in normaler Geschwindigkeit und mit Text und Inhalt an, aber leider weiterhin mit immer dem selben Tristanauschnitt.
Der Prolog nahm das Ende vorweg. Der Zuschauer weiß nun, dass die Ende von einem losgelösten Irrplaneten zerbröselt wird, alle Bemühungen dem zu entfliehen scheitern werden.
Es folgt der erste Teil, Wochen vor dem Ende. Er beginnt beschwingt und fröhlich mit Handkamera aber nicht Blair Witch verwackelt und zeigt ein glückliches Paar in Schwierigkeiten. Die Stretchlimosine des Brautpaares kommt nicht durch die Serpentinen zum Schloss der Gastgeber, Justines Schwester und ihrem Schwager. Jeder darf mal ans Steuer, aber letztendlich gehen beide zu Fuß und kommen quietschfidel zum Fest. Claire und ihr Mann sind verärgert, sie wollen dass die Feier trotzdem gut wird. Der erste Stimmungsdämpfer. Irgendwas ist im Busch. John geht es nicht nur ums Geld, er und Claire beobachten Justine zu argwöhnisch. Der Zuschauer beginnt zu ahnen, dass der Abend nicht heiter ausklingen wird und richtig, eine Bemerkung der Mutter und Justines Stimmung gerät ins schwanken, sie wird zunehmend ernster und versucht sich den konservativen und engen Riten der Zeremonie und der Gesellschaft zu entziehen. Sie sabotiert durch ihr Verhalten nicht nur den Ablaufplan der Festivität, sondern auch die Liebesbeweise ihres Mannes und damit ihre so junge Ehe und damit nicht genug dann auch noch ihren Job.
Justine wird melancholisch, versucht der Schwester zu Liebe immer wieder an der Gesellschaft teilzunehmen, doch kann sie nicht aus ihrer Haut und scheitert an dieser Aufgabe und dem Leben, dass scheinbar nur die anderen für sie wollen. Nur die Mutter ist gegen alles, ist Justine am ähnlichsten, vielleicht stößt sie sie deshalb von sich. Ein für Justine wichtiges Gespräch mit dem Vater kommt nicht zu Stande, weil er nie wirklich Zeit hat und auch keine Lust auf sie zu warten.
So traurig wie der erste Teil endet so wenig Heiteres bringt der zweite. Er spielt kurze Zeit bevor Melancholia an der Erde vorbeifliegt. Clair bereitet liebevoll den Wohnsitz vor – sie wird die mittlerweile schwer depressive Schwester zu sich holen. Ehemann John ist weniger begeistert zumal die pragmatische Claire auch ängstlich wird, den Prognosen der Wissenschaftler nicht glaubt. Er beruhigt sie, doch gleichzeitig bereitet er sich heimlich für den Fall der Fälle vor. Letztendlich ist er der Feigling, der sich still und heimlich davon machen wird und seine Familie im Stich lässt. Doch eine ganz kurze Zeit während Claire denkt die Katastrophe ist abgewendet und es Justine etwas besser geht scheint eine Art Gleichgewicht hergestllt zu sein, dass jedoch mit der Erkenntnis des Untergangs, dem Tod Johns und der Ruhe vor dem Sturm wieder kippt. Die Pferde haben sich beruhigt, Claire versucht in ihrer Panik wegzurennen. Doch sie dreht sich im Kreis. Wohin sollte sie rennen? So kehrt sie zu Justine zurück, die bereits auf sie wartet. Aus der Schwachen ist die Starke geworden.
Depresionen in schönen Bildern, Slow Motion, episch verweht ind prallen Farben und aufdringlicher Wagnermsuk, auf der anderen Seite die Geschichte in sehr natürlichen dokumentarischen Stil. Das Atmen der Menschen die Geräusche der Umgebung der Bewegungen – alles ist so echt so wenig gekünstelt. Zwei Stile: die genaue fast schon dokumentarische Beobachtung der Schwestern und daneben die kunstvoll gestellten Szenen, in denen zum Beispiel Frau Dunst nackt am Bach drapiert wird oder die Mutter Claire mit ihrem Sohn auf dem Arm nicht fliehen kann, weil sie im Gras versinkt.
Doch ich hätte mir gewünscht, dass der gesamte Film musiklos geblieben wäre. Mein Fall ist die dieses Stückchen aus Wagners Tristan nicht gerade und leider fallen ausgerechnet die am schönsten anzusehenden Szenen den Geigern zum Opfern.
So arg viel Gesellschaftskritik vermag ich dem Film auch nicht zu entlocken, wohl aber einen Rausch der Gefühle.
Das Bedürfnis sich von den Vorstellungen anderen zu lösen, nicht eingezwängt in Konventionen zu leben zu wollen, frei zu sein und an den Erwartungen der Mehrheit zu scheitern, ist durchaus nachvollziehbar wie andererseits auch das Bedürfnis nach Struktur und einem geordneten Leben. Hier prallen zwei Leben aufeinander und die eine kann nicht ohne die andere.
„Melancholia“ ist Kirsten Dunsts Film. Auf den Leib geschneidert mag man meinen, auch wenn es nicht so war, denn sie ist ja nur zweite Wahl, jedoch die Beste, die Lars von Trier treffen konnte. Nie habe ich die Frau besser gesehen.
Auch sonst hat der Film darstellerisch einiges zu bieten. Charlotte Gainsbourg als Schwester Claire, Kiefer Sutherland als Schwager John, John Hurt als vergnügungssüchtiger Vater ohne Gehör für die Kinder und Charlotte Rampling als zynische Mutter, um nur einige zu nennen.
„Melancholia“ nicht zu mögen fällt mir schwer und je mehr Abstand ich gewinne, desto herzlicher denke ich an ihn zurück. Er ist nicht perfekt, jedoch eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte.
<
p>Dänemark / Schweden / Frankreich / Deutschland 2011 – Regie: Lars von Trier – Darsteller: Kirsten Dunst, Charlotte Gainsbourg, Kiefer Sutherland, John Hurt, Charlotte Rampling, Alexander Skarsgård – FSK: ab 12 – Länge: 136 min.
Schreibe eine Antwort zu FlemingAntwort abbrechen