DerHomunkulusDesGodwinBaxter

Poor Things von Giorgos Lanthimos

Directed by Yorgos Lanthimos
Screenplay by Tony McNamara
Based on Poor Things by Alasdair Gray
Produced by
Ed Guiney, Andrew Lowe, Yorgos Lanthimos
Emma Stone
Starring
Emma Stone, Mark Ruffalo, Willem Dafoe
Ramy Youssef, Christopher Abbott, Jerrod Carmichael
Cinematography Robbie Ryan
Edited by Yorgos Mavropsaridis
Music by Jerskin Fendrix
Production companies
Film4, Element Pictures, TSG Entertainment
Distributed by Searchlight Pictures
Release dates
September 1, 2023 (Venice), December 8, 2023 (United States)
January 12, 2024 (Ireland and United Kingdom)
Running time 142 minutes
Countries
Ireland, United Kingdom, United States
Language English
Budget $35 million
Box office $51.8 million


Als sich die hochschwangere Victoria Blessington von der Tower Bridge stürzt ist das für den Wissenschaftler und Arzt Godwin Baxter ein Glücksfall. Eine frische Leiche ohne Starre und ein lebendes Ungeborenes. Unser Doktor Frankenstein macht sich umgehend an die Arbeit und setzt das Frischlingshirn in den erwachsenen Körper ihrer Mutter. Fortan heißt das Wesen Bella und es lernt laufen, stubenrein zu werden, zu essen und etwas zu sprechen. Für Bella ist Doktor Godwin Gott und er lässt das auch so stehen, denn in seinem kleinen viktorianischen Reich laufen so einige seltsame Kreaturen herum. Wesen, sie mal Tiere waren und nun als absurde Hybriden ihr Dasein fristen. Als Godwin den Studenten Max McCandles als Assistenten ins Haus holt, verliebt der sich sofort in Bella und will sie heiraten. Alle stimmen zu, ein Vertrag wird aufgesetzt, doch dann beschließt sie zunächst mit dem Anwalt die Welt zu erkunden.

Zugegeben ich war gerührt und geflasht, alleine von dem Look des Filmes, den Kulissen, der Symbolik der Kostüme, doch so im Nachhinein sind mir einige Dinge wirklich aufgestoßen und werfen bei mir Fragen auf, die sich scheinbar kaum jemand dazu stellt.
Gut, das ist ein Arzt und Wissenschaftler mit einer dramatischen Vita. Bereits sein Vater experimentierte an Menschen, vorwiegend an ihm, seinem eigenen Sohn und verstümmelte ihn bis zur Unkenntlichkeit. Nichtsdestotrotz empfindet Godwin vollstes Verständnis für sein Vorgehen und steigerte dieses auf absurde Weise, in dem er Tieren zerstückelte und neu zusammensetzte und Bella schuf, in dem er den Körper der toten Mutter mit dem Hirn ihres Ungeborenen wiederbelebte, weil er es konnte. Kein Gedanke daran, das Kind zu retten, vielmehr ein Konzept zu überprüfen, wie sich ein Mensch ohne Scham und Konventionen entwickelte. Dabei handelt es sich keineswegs um ein männliches Exemplar, denn Männer haben ja ohnehin alle Freiheiten und Scham kennen hier einige von Natur aus nicht, sondern eine Frau, allerdings nur halbherzig, denn in die freie Welt soll sie zunächst nicht. Als sie dann entscheidet das Haus mit einem Frauenhelden zu verlassen, lässt er sie dann doch ziehen und Bella erkundet die Welt und findet äußerstes Vergnügen an Sex, später auch an dem ein oder anderen Buch und geht dann sogar soweit sich zu prostituieren, weil sie dann ja für das Vergnügen auch noch Geld bekommt. Gut, ich möchte mal in den Raum stellen, dass das eine typisch männliche Vorstellung von Emanzipation und Feminismus ist und ich diese nicht unbedingt teile. Vielleicht gab es ein echtes emanzipatorisches Aufsträuben, als sie ihren ehemaligen Ehemann folgte und sich ihm und sich seinem Besitzgehabe widersetzte, letztendlich landete sie jedoch im trauten Heim in züchtiger schwarzer viktorianischen Montur. Sie war erwachsen geworden.
Insofern sehe ich einen großen Teil der Geschichte allenfalls als feuchten Traum eines Mannes (der sich als Gott erhebt) an, der für mich mehr mit Missbrauch des weiblichen Körper und Geistes, als mit seiner Emanzipation zu tun hat, ganz zu schweigen von feministischen Ansätzen. So gesehen bin ich äußerst Zwiegespalten. Oberflächlich fand ich den Film total schön und auch erheiternd, insgesamt ist es aber eine Geschichte von Männern, die farbenfroh ihre Vorstellung von weiblicher Emanzipation unter die Menschen bringen, vielleicht auch nur provozieren wollen, auch wenn ein so lächerliches Männchen wie Duncan Wedderburn aka Mark Ruffalo vorgeführt wurde.
Optisch ein Knaller, Emma Stone gibt hemmungslos alles und wenn, dann im Kino ansehen. Trotzdem kann ich hier keine Wertung abgeben.

 

• 25.01.2024 • 17.17 Uhr • Thalia Potsdam • Kino 2 •

Trailer:
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3 Gedanken zu „DerHomunkulusDesGodwinBaxter“

  1. Ich finde nicht, dass das eine männliche Vorstellung von Emanzipation und Feminismus ist.

    Letztlich ist es doch eine Befreiung einer Frau, zuerst hat sie sich von ihrem Ehemann gelöst (indem sie den Freitod wählte), dann wächst das Geschöpf von Godwin (für die sie ja ein Experiment ist) heran, entdeckt die Freuden von Sex, bricht aber dann aus dem engen Korsett ihres Schöpfers aus, um – ganz normal sich und die Welt zu entdecken, lernt dabei auch über die Ungerechtigkeit in selbiger, befreit sich schließlich auch von dem dritten Mann, der sie für sich beanspruchte (Mark Ruffalos Duncan Wedderburn) und rächt sich schließlich an ihrem Ehemann für das was er ihr angetan hat und noch antun wollte. Bella wurde ein Leben lang von Männern mißbraucht oder benutzt, hat irgendwann genau das erkannt und lebt am Ende frei von allen Männern in der Welt, die sie für sich geschaffen hat. Alle Männer sind in der Story die Verlierer. Ich finde das ist eindeutig eine feministische Story.

    1. Verdammt, jetzt habe ich Dir so eine lange Antwort geschrieben und WordPress hat sie verschluckt :))
      Ich denke es ist legitim hier unterschiedlich zu interpretieren und zu empfinden. Warum muss sich das Arme Ding prostituieren und mit diesen stinkenden hässlichen Männern abgeben? Was soll mir das sagen? Ich finde das so einfältig. Und wenn man es genau nimmt hat sich Bellas Mutter umgebracht und sie hat sie gerächt. Auch sehe ich das mit der Befreiung von den Männern etwas anders, denn wer hat sie gefangen? Sie war ja zunächst noch ein Säugling und als die Zeit reif war, hat Godwin sein Experiment frei gelassen, so wie Duncan sie zu keinem Zeitpunkt „hatte“ oder sie wirklich greifbar für ihn war. Außerdem sagte sie ja klar, dass sie zu Max zurückkehren würde, was sie auch tat. Daneben ist es zweifelhaft, dass sie in der Außenwelt irgendwas bewirkt hat. Wir sehen es nicht, vielmehr lebt sie, wenn auch zufrieden weiter in ihrem abgeschlossenen Haus und lernt fleißig. Emanzipation in den eigenen vier Wänden ist ja schön und gut, aber das Ding ist es ja sie nach außen in die Gesellschaft zu tragen und Akzeptanz zu erreichen, das fehlt hier völlig.
      Das traurigste ist, dass sie den Schlimmsten von allen, Godwin, liebte und Gott nannte, den Mann, der ausgerechnet eine Frau und ihr Kind, die am wenigsten wehrhaften und die am leicht zu beherrschendsten Menschen, für sein erstes Menschenexperiment missbrauchte, nur um zu sehen, wie sich ein Mensch entwickelt, der ohne Konventionen und Regeln heranreift. Oder war es die Neugier, ob Frauen einen freien Willen haben können? Wer weiß :))

      1. Na klar ist es legitim, unterschiedlich zu interpretieren und auch zu empfinden.

        Wenn man mal davon absieht, dass sie nun mal ein Menschenexperiment war, war sie war kein armes Ding. Sie war naiv, unbekümmert und furchtlos wie es nur Kinder sind. Sie hat auch als Heranwachsende immer nur das getan, wozu sie Lust hatte. Gesellschaftliche Etikette kannte sie nicht, also hat sie beispielsweise bei dem Abendessen nur das getan, was ihr in den Sinn kam. Wenn ihr etwas nicht schmeckte, hat sie es halt ausgespuckt. Es hat sie auch niemand zur Prostitution gezwungen. Sie war ja begeistert, dass sie für das, was sie am liebsten mochte (Sex) auch noch Geld bekommt. Da konnte sie sich ausprobieren. Da konnte auch etwas über sich und Männer herausfinden. Ich kann verstehen, dass man sich an dem Sexpart stören kann und dies als männliche Fantasie etikettieren kann – aber auch (die meisten) Frauen mögen Sex und testen ihre Grenzen aus.

        Nun kann man natürlich darüber diskutieren, um was für eine Figur es sich bei Bella genau handelt (ist sie Bellas Mutter, usw.) Es ist eh ein Märchen, Bella ein Experiment und das Ganze in der Realität dankenswerterweise nicht darstellbar. Für mich ist es eine körperlich junge Frau mit dem Gehirn des (ihres eigenen) Babys. Sie wurde doch zweifellos von ihrem Ehemann in einer Ehehölle gehalten und davon hat sie sich (durch den Freitod) befreit. Der hatte sie ja später zurückgeholt, wollte sie beschneiden lassen o.ä. und da hat sie sich dann ein weiteres Mal befreit und dann gerächt. Von Godwin hat sie sich doch auch befreit, weil sie das Haus nicht verlassen sollte, er wollte sie unter seiner Kontrolle haben. Godwin hatte aber irgendwann keine andere Chance, als sie ziehen zu lassen (wie Eltern bei Teenagern). Duncan hatte geglaubt, dass sie ihm gehört, so wie es in der Zeit einfach war. Darauf hat sie aber gepfiffen und ist ihren Weg gegangen. Klar hat sie Godwin geliebt, wie man seine Eltern liebt, auch wenn sie einem vielleicht Schlimmes (psychisch oder physisch) angetan haben, weil sie einfach die Eltern sind. Das hört man in der Realität ja immer wieder. Eine andere engste Bezugsperson hatte Bella nicht. Am Ende lebt sie das Leben, das sie wollte. Ein, für diese Zeit, selbstbestimmtes Leben mit Max, aber eben auch mit ihrer schwarzen Geliebten (ihre ursprüngliche Kollegin und Freundin in dem Puff) beispielsweise. Es ist also Bellas Emanzipationsgeschichte. Das ist das Ende des Märchen. So sehe ich das. 🙂

NurZuTrauDich!

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