Politik,Kunst,HoheUndNiedrigeUndVerschiedeneGeschichtenMenschlichenInteresses

The French Dispatch von Wes Anderson

Directed by Wes Anderson
Screenplay by Wes Anderson
Story by Wes Anderson, Roman Coppola, Hugo Guinness, Jason Schwartzman
Produced by Wes Anderson, Jeremy Dawson, Steven Rales
Starring  Benicio del Toro, Adrien Brody, Tilda Swinton, Léa Seydoux, Frances McDormand, Timothée Chalamet, Lyna Khoudri, Jeffrey Wright, Mathieu Amalric, Stephen Park, Bill Murray, Owen Wilson
Narrated by Anjelica Huston
Cinematography Robert D. Yeoman
Edited by Andrew Weisblum
Music by Alexandre Desplat
Production companies : Indian Paintbrush, American Empirical Pictures, Studio Babelsberg
Distributed by Searchlight Pictures
Release date
July 12, 2021 (2021 Cannes Film Festival)
October 22, 2021 (United States)
Running time 103 minutes
Countries : Germany, United States
Languages
English
French
Budget $25 million
Box office $20 million

Der aus Kansas stammende Arthur Howitzer, Jr. gibt das amerikanische Magazin French Dispatch heraus, welches ein Ableger der Liberty, Kansas Evening Sun ist. Die Redaktion ist in Ennui-sur-Blasé beheimatet und leider ist dies auch die letzte Ausgabe des Magazins, denn Howitzer ist tot und er hat in seinem Testament verfügt, dass es keine weitere geben soll. So werden von seinen Mitarbeiter nochmals vier alte Artikel zusammengetragen.


Andersons jüngstes Werk stand unter keinem guten Stern, irgendwie konnte ich mich den doch sehr gedämpften Kritiken nicht entziehen und wurde an allen Ecken gemäkelt und davon gesprochen, dass der Gute zu viel des Guten wollte, dabei völlig an Tiefe der Figuren einbüßte und irgendwie alles zu chaotisch sei. Nun ja, glücklicherweise kann ich solche „Vorwarnungen“ gut ignorieren, insbesondere wenn es um Lieblingsregisseure oder Darsteller geht. Zugegeben, wenn ich Andersons Filme nicht im Kino sehen kann, tue ich mich etwas schwerer mit ihnen. „Bottle Rocket“ und „The Darjeeling Limited“ (auf dem heimischen TV) fand ich kompliziert, bin ich nicht warm mit geworden, aber im Kino hat er meine volle Aufmerksamkeit und so kann ich für mich sagen, dass ich „The French Dispatch“ wirklich großartig fand. Gut, ein paar Textdetails konnte ich nicht so schnell mitlesen, aber hier muss man bei der Erstsichtung auch mal Mut zur Lücke haben. Sicherlich fallen mir noch unendlich viele Kleinigkeiten beim erneuten Ansehen auf. Aber worum geht’s eigentlich? Anderson zeigt uns eine liebevolle und augenzwinkernde Hommage an die alten Magazine, hier die geschriebenen, mit ihren wunderbaren, manchmal auch sehr geschönten, aber immer unterhaltsamen Essays. Die Episode „The Concrete Masterpiece“ rief bei mir sofort die Erinnerung an die V.I.P.-Schaukel mit der unvergleichlichen Magret Dünser hervor, warum auch immer. Vielleicht wars es das Kostüm Tilda Swintons, wer weiß.
Im Fokus des Filmes steht „The French Dispatch“, das ein verselbständigter Magazinteil eines in Kansas beheimateten Blattes ist, dessen Herausgeber nun seit Jahrzehnten in der fiktiven französischen Stadt Ennui-sur-Blasé mit einem Team Exil-Amis aus Europa für Amerikaner schreibt, die wahrscheinlich nie einen Fuß auf französischen Boden setzen werden. Seine Journalisten sind alles andere als neutral, aber loyale Individualisten. Leider ist zum Zeitpunkt unseres  Zukommens Arthur Howitzer Jr. , der Herausgeber, bereits verstorben und verfügte die sofortige Einstellung seines Magazins, nur eine letzte Ausgabe aus vier der besten Beiträge seines Bestehens wird noch einmal zusammengestellt.
Der erste ist „The Cycling Reporter“, in dem Journalist Herbsaint Sazerac poetisch über das Städtchen Ennui und die Veränderungen durch die Zeit berichtet, während er betont, wie wenig sich doch in der Stadt verändert hat. Ich weiß nicht mehr, was auf seinem zerknüllten Teil stand, aber das war der beste Teil der Geschichte, so Howitzer. – Eine Ode an die fiktive Stadt im Wandel der Zeit mit Owen Wilson als radelnder an sich zweifelnder Reporter. Typische Anderson Melancholie.
Die zweite Geschichte ist aus den Händen der Kunstkritikerin JKL Berensen: „The Concrete Masterpiece“, in der sie uns den verurteilten Mörder und ehemaligen Mundwasseralkoholiker Moses Rosenthaler vorstellt, dessen Muse seine Aufseherin Simone war, die ihm als Aktmodell im Gefängnis zur Seite stand. Mit seltsamen Zutaten schaffte er ein Werk, das innerhalb einer künstlerischen Gefängnisausstellung vom Kunsthändler Julien Cadazio entdeckt wurde, der Moses sofort unter Vertrag nahm. Nach Jahren schuf Moses sein ultimatives Lebenswerk, allerdings auf dem Beton der Gefängnismauer. – Unglaublich gut hier: Benicio del Toro als was? Jüdischer Cubaner? Ich weiß es nicht mehr, aber seine Backgroundstory ist unglaublich lustig und zusammen mit Léa Seydoux, dem gewohnt irren Adrien Brody und der mit Vorliebe großbezahnten Tilda Swinton eine tolle Persiflage auf die „hohe“ Kunst, deren Kritiker und Sammler. Ganz wunderbar das.
Die dritte Story von Lucinda Krementz, der politischen und etwas lehrerhaften Journalistin des Blattes lautet: „Revisions to a Manifesto“, in der sie in die Studentenunruhen der sechziger verwickelt wird und eine Affäre mit dem Studentenanführer Zefferelli beginnt und ihm in Puncto Manifest „etwas“ zur Hand geht. – Eine sehr godardige, nouvelle-vagige Episode in der total perfekt durchgestylte Studenten mit viel grün hinter den Ohren um etwas kämpfen. Was ist nicht so genau klar, wahrscheinlich Freiheit und eine bessere Mensa, auf jeden Fall herrscht Uneinigkeit über das was und wie. Timothée Chalamet war unglaublich gut, Frances McDormand natürlich auch, die französisch brabbelnde Lyna Khoudri nervte mich, den Mann nicht.
Die vierte und letzte Geschichte, hat mich echt berührt. Es geht ums Kochen, Vaterliebe und vor allem um Menschen, die in der Fremde leben. Verfasst von Roebuck Wright, erzählt dieser rückblickend in einem TV-Auftritt von seinem Artikel: „The Private Dining Room of the Police Commissioner“, in dem er eigentlich vorhatte, über den legendären Polizisten und begnadeten Chefkoch Lt. Nescaffier zu berichten. Im Rahmen seiner Recherchen wurde er vom Polizeichef Ennuis zu Diner eingeladen, welcher ein ganz besonders enge Verhältnis zu seinem sehr schlauen Sohn Gigi hatte. Leider wurde der während des Diners entführt und so konzentrierte sich zunächst alles auf das Auffinden und Befreien des Kindes, das letztendlich Lt. Nescaffier und seinen Kochkünsten sowie einer selbstlosen Selbstvergiftung zu verdanken war. Wright verband ein Satz mit dem Koch: etwas Fehlendes suchen, etwas Zurückgelassenes vermissen. – Die scheinbar chaotischste Episode mit einem unglaublichen Staraufgebot, Verfolgungsjagden, Animationseinlagen, schwarz-weiß sowie Farbfilm, Saoirse Ronins blauen Augen, Schießereien, Morsecode, dehydrierten Getränken für Polizisten im Einsatz, gutem Essen und der Einsamkeit im selbstgewählten Exil. Jeffrey Wright ist wunderbar und mehr Wes Anderson kann man nicht bekommen. Die Mischung aus kindlicher Verspieltheit gepaart mit ernstem Hintergrund kann er schon wirklich gut.
Was soll ich sagen? Man wird in diesem Film gefordert optisch wie inhaltlich, aber ich liebe die Kamera, die Szenenkompositionen, die Musik, wie sich jeder Darsteller ins Zeug legt und echte Freude am Projekt hat und ja, ich mochte die Geschichten, die Spitzen, die Anerkennung, die Sehnsucht. Für mich wieder großes Kino.

 

 

5 Gedanken zu „Politik,Kunst,HoheUndNiedrigeUndVerschiedeneGeschichtenMenschlichenInteresses“

  1. Hier spricht ein wahrer Fan. Bin ja froh, dass er Dir wenigstens gefällt. Ich war ja – trotz riesiger Leinwand – zunehmend genervt und fühle mich – ehrlich gesagt – bei Deiner wunderbar detaillierten Kritik zurückerinnert, wie anstrengend ich den Film fand. 😃

    1. Ja der Anderson Stil liegt mir und es war ein entspannter Abend. Ich hatte auch den Eindruck, dass Mann und ich uns im Kino am meisten amüsierten. Aber ich war ja auch vorbereitet, dass er herausfordernd ist. Da geht man auch anders an einen Film heran.

  2. Mich hat er, trotz der Tatsache, dass ich auch ein großer Anderson Fan bin und eigentlich alles von ihm mag, nicht ganz so abgeholt. Fand die einzelnen Episoden nicht so stark. Die erste war für mich die Beste…

NurZuTrauDich!

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