Berührungsängste

The Best Offer von Giuseppe Tornatore

Virgil Oldman ist ein ungewöhnlicher Mann.
Der Kunstexperte ist Chef eines führenden Auktionshauses und doch scheut er die Menschen.
Er hat nur einen Freund, der für ihn als Strohmann die Gegenstände ersteigert, die er begehrt und dem er vollends vertraut.
Behandschuht isst er in den feinsten Restaurants, fasst niemals Fremdes ohne Schutz an und beschäftigt sich selten persönlich mit seinen Kunden. Dennoch ist er ein beliebter und anerkannter Mann in der gehobenen Kunstszene.
Natürlich hat Virgil auch keine Frau, doch als er eines Tages von einer gewissen Claire Ibbetson kontaktiert wird, die mindestens genauso spleenig und unnahbar wie er selbst zu sein scheint, wird sein Interesse geweckt. Nicht nur der sehr interessante Auftrag den voller hochwertiger Kunst gefüllten Hausstand ihrer Eltern aufzulösen, sondern auch das nahezu ihm gegenüber unverschämte Wegbleiben von zahlreichen gemeinsamen Terminen, stachelt den alten Herren an.
Als er herausfindet, dass die junge Frau an Agoraphobie leidet, in einem geheimen Bereich des Hauses lebt und niemals Kontakt zu Fremden hat, wird aus Neugier, Leidenschaft und Virgil zu einem neuen Mann.

Im Grunde genommen machte Guiseppe Tornatore in „The Best Offer“ alles richtig. Angefangen mit dem wunderbaren Geoffrey Rush als snobistischer und eitler Einzelgänger, über die sensationellen Locations in Triest, Bozen, Prag und weiß ich noch wo, bis hin zur Musik von Ennio Morricone, hier stimmt einfach alles.
So einen gut ausgestatteten, geschmackvollen und schön bebilderten Film habe ich lange nicht mehr gesehen und bereue, ihn nicht im Kino gesehen zu haben.
Bildästhetik und die Liebe zur Kunst prägen „The Best Offer“, neben einem dichten Plot.
Sicher, es kann sich durchaus um eine ungewöhnliche Liebesgeschichte handeln, doch der misstrauische Krimiprofi riecht Lunte und weiß, dass hier etwas nicht stimmt.
Ein, seien wir ehrlich, alter exzentrischer Mann, der sein gesamtes Leben der Kunst gewidmet hat und im Besonderen dem Sammeln von Frauenportraits, trifft auf eine geheimnisvolle, für ihn, sehr junge Frau mit Handikap und beide verlieben sich? Klingt mal wieder nach eine Altherrenfantasie, ist es auch.
Nichtsdestotrotz haben wir eine ausgeklügelte Geschichte, die nach und nach so viele wertvolle Hinweise streut, dass sie sich am Schluss eigentlich nicht noch einmal erklären muss.
Eine Bemerkung hier, ein verletztes Gesicht dort – man muss nur genau hinhören und hinschauen…
Auch ungewöhnlich: Protagonist Virgil Oldman ist nicht gerade ein Sympathieträger, vielmehr wird er als das gezeigt was er ist: ein eitler Egomane, der andere ohne Ausnahme herablassend behandelt und ein alter Narr, den seine erste Liebe blind macht.
Neben Donald Sutherland als Virgils besten Freund und Babyface Jim Sturgess als Profibastler in alten Sachen, sehen wir Sylvia Hoeks als geheimnisvolle Lady, die leider nur einen Gesichtsausdruck kann, der sie durch ihre Karriere verfolgt. Isoliert gesehen mag das passen, dennoch finde ich sie nicht besonders ausdrucksstark.

Alles in Allem ist „The Best Offer“ ein optische grandioser Suspensegenuss, der ruhig und heimtückisch daherkommt und allemal einen Blick wert ist.


The Best Offer Directed by Giuseppe Tornatore Produced by Isabella Cocuzza Arturo Paglia Written by Giuseppe Tornatore Starring Geoffrey Rush Sylvia Hoeks Jim Sturgess Donald Sutherland Music by Ennio Morricone Cinematography Fabio Zamarion Editing by Massimo Quaglia Studio Paco Cinematografica Warner Bros. Distributed by Warner Bros. Release date(s) 1 January 2013 Running time 124 Country Italy Language English Budget €13,500,000

5 Gedanken zu „Berührungsängste“

  1. Wien! Du hast Wien bei den Locations vergessen, das ist ja unverzeihlich! Ja, der Film ist nett. Eigentlich nichts was ich mir angesehen hätte (kinomäßig war der völlig unter meinem Radar…), aber zum Auffüllen der Ausleihliste mal draufklickt. Optisch toll, leise und schleichend spannend, mit fiesem Ende.

  2. :)) ja ja Wien. Für mich sah alles alt und stylisch aus. Wenn die mit der Kamera nicht direkt am Prater stehen, kann ich Wie nicht von der City of Westminster unterscheiden :))
    Ich wollte den Film unbedingt sehen, weil mich FrauFlinkwert bei der Berlinale so neugierig gemachte hatte, aber im Kino hatte ich ihn dann verpennt.

    1. Der lief hier auf der Berlinale und wäre mir auch durch die Finger geflutscht hätte mir Frau Flinkwert nicht davon erzählt.
      Ist ein italienischer Film, kann gut sein, dass er in den USA nicht lief.
      Ja Geoffrey Rush sehe ich auch gerne 🙂

  3. Ja, der war wirklich sehr gut. HAtte die Karte letztlich nur gekauft, weil ich in meinem Berlinale Budget noch Geld übrig hatte und ich Geoffrey Rush mag. Aber dann war ich sehr positiv überrascht.

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