DerVirtuelleBanküberfall

Du Bist Tot von Charles Stross

CharlesStrossInhalt:
Wir befinden uns im Jahr 2018 in der Welt des Web 3.0. Die Menschen sind mittels ihrer Smartphones praktisch nonstop online, nichts geht mehr ohne Internet. Die Realität ist von der virtuellen Welt abhängig, soziale Netzwerke und online Rollenspiele sind verschmolzen und bilden einen mächtigen Wirtschaftszweig. Doch niemand hätte gedacht, dass ein so kurioses Verbrechen solche Wellen schlagen könnte: im Prestige-Level von Avalon vier wurde die Zentralbank von einer Horde Orks und einem Drachen überfallen und ausgeraubt. Ok, halb so schlimm denken wir, doch da gehen Millionen über den Tisch, denn alle Schätze, Gelder und Güter der Spieler werden in dieser Bank aufbewahrt und können über Ebay in bare Euro-Münze verwandelt werden. Keine gewöhnlich Aufgabe für Sergeant Sue Smith, die sich erst im falschen Film glaubt. In Kooperation mit der Wirtschaftsprüferin Elaine Barnaby und Programmierer Jack  Reed entpuppt sicher der Fall weitreichender als vermutet, denn es geht nicht nur um einen Diebstahl, sondern auch Korruption, Wirtschaftsspionage und Geheimdienste oder was?

Fazit:
Charles Stross ist einer der unbestrittenen Großmeister der modernen Science Fiction. In „Du Bist Tot“ zeigt uns der Computerwissenschaftler einfach mal wieder wo der Hammer hängt. Kompetent und gut durchdacht führt er den Leser durch sein Labyrinth des Schreckens. Wirkliches Leben, dass an manchen Stellen mit der virtuellen Welt verschmilzt, Protagonisten, die immer wieder in Online Rollenspiele tauchen müssen, um der Lösung auf die Spur und dabei einem eigentlich ganz simplen Verbrechen auf die schliche zu kommen, dessen Konstrukt jedoch so aufgeblasen und geschickt verschachtelt ist, dass der Leser ständig aufs Neue überrascht wird. Alles fängt ganz harmlos an als Sergeant Sue Smith wegen eines Einbruchs zu Hayek Associates gerufen wird, doch als sie den „Überwachungsvideo“ sieht, weiß sie nicht so recht was sie denken soll: eine Horde Orks überfällt mit einem Drachen im Schlepptau die Zentralbank des Onlinespiels Avalon Vier. Ein Millionenschaden für die Firma, denn die virtuellen Schätze sind Echtgeld wert und nicht zu knapp. Und dann kommt auch noch heraus, dass es nur das Versehen eines übereifrigen Angestellten zu verdanken war, dass die Polizei involviert wurde, denn noch lieber hätte man die Sache „intern“ geklärt. Doch das Verbrechen zieht seine Kreise und die Versicherung von Hayek Associates steht auch schon auf der Matte und halst ihrer Wirtschaftsprüferin Elaine Barnaby die Bearbeitung des Falls auf. An ihre Seite stellt sie ihr den Computergeek Jack Reed. Die drei geraten in ein Netzwerk aus Wirtschaftsspionage, feindlichen Geheimdiensten und rein privaten Interessen. Chefprogrammierern, die nicht existieren, gemietete Familien und Onlinespiele, aus denen man nicht mehr aussteigen kann.
„Du Bist Tot“ ist eine harmonische Mischung aus Krimi, Science Fiction und Spionage-Thriller. In der 2. Person Singular geschrieben, liest er sich zugegebenermaßen zunächst sehr anstrengend, jedoch verstärkt es das Gefühl sich selbst in einem Spiel zu befinden. Stross erklärt überraschend plausibel die Zusammenhänge zwischen dem großen Geld und der Spieleindustrie. Spiele, die Kapazitäten und Schnelligkeit abverlangen kurbeln die Computerindustrie und Prozessortechnik an – wer mithalten will braucht immer die neuste Technik und investiert. Das dieser Bereich auch ein interessanter Markt für Spekulanten ist, versteht sich von selbst.
Letztendlich dreht sich alles nur ums Geld, Wirtschaftsexperten leiten Unternehmen, von deren „Produktion“ sie gar keine Ahnung haben; dafür sind eine Hand voll Handlanger oder Fachidioten zuständig und die Geldgier verleitet den ein oder anderen schon mal intern etwas herumzumanipulieren.
Charles Stross rechnet hoch. Nur ein paar Jahre, aber unsere Zeit ist so schnelllebig, dass sein Szenario wirklich nicht zu abgehoben ist.
10-10
Ganz großes Kino zum Lesen ;D

CHARLES STROSS Du bist tot Roman Originaltitel: Halting State Aus dem Amerikanischen von Ursula Kiausch font-size: 10px; „>DEUTSCHE ERSTAUSGABE Taschenbuch, Broschur, 544 Seiten, 11,8 x 18,7 cm ISBN: 978-3-453-52687-7 € 9,95 [D] Verlag: Heyne

6 Gedanken zu „DerVirtuelleBanküberfall“

  1. Joaa. „Du Bist Tot“ bleibt mehr auf dem Boden. Zwar müssen die Protagonisten in Rollenspiele schlüpfen, dennoch bleibt die Sache mehr an unserer Wirklichkeit und Zeit dran. Und das Verbrechen an sich ist ja Top aktuell.
    Ja ein Blick lohnt sich.

  2. Im Original heisst das Buch „Halting State“; ein wunderbares Wortspiel da es sich zum einen auf ein Problem der theoretischen Informatik bezieht (Halteproblem) andererseits aber auch einen der Kernpunkte des Romans beschreibt: Halting=zum Stillstand bringen, State=Staat. Es geht dabei um die Frage wie stark ein Staat in der nahen Zukunft von der korrekten Funktionsfähigkeit der Informationssysteme abhängig ist und was es zur Konsequenz hat wenn dieses Systeme sicherheitstechnisch korrumpiert werden. Stichwort: Cyberwar.

    Dass der Roman in der zweiten Person Singular geschrieben ist (wechselweise aus der Perspektive der drei Protagonisten) soll meines Wissens eine Hommage an die Computer-Text-Adventures der frühen 80er (z.B. Zork) sein. Fand ich aber auch etwas anstrengend da ungewohnt.

    Stross führt ein sehr lesenswertes Blog http://www.antipope.org/charlie/ in dem er sich u.A. mit mit Informationstechnologie, dem Publishing Business, Futurologie und auch mit seinen Romanen beschäftigt.
    Lesetip: Ein mehrteiliger Eintrag in dem er sich damit beschäftigt wie Bücher entstehen und welcher Aufwand dahintersteckt um ein Buch vom Autor zum Publikum zu bringen: http://www.antipope.org/charlie/blog-static/2010/02/common-misconceptions-about-pu.html

    Wer mehr von Stross lesen will dem sei die sogenannte „Laundry“-Serie ans Herz gelegt (The Atrocity Archives, The Jennifer Morgue, The Fuller Memorandum); leider ist wohl nur das erste Buch auf deutsch erschienen: Dämonentor.
    Das Thema ist ein Mix aus Agentenroman, Lovecraftmythos und Computergeekiness, es geht um eine britische Geheimagentur die übernatürliche Phänomene mit einem Mix aus Magie und angewandter Informatik bekämpft.

  3. Ah, danke für die Infos.
    Ja Dämonentor habe ich gelesen und war absolut begeistert (logisch bei der Thematik).
    Stross hat einfach auch einen Humor, der mir sehr gelegen kommt. Ich brauche Spaß beim Lesen.
    Hier liegen noch ein paar Romane von ihm in der Warteschleife, ich bin gespannt, ob die mich auch so fesseln können.

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