Blutzeugen

martyrsMartyrs von Pascal Laugier

 

Inhalt:
Im Alter von zehn Jahren befreit sich Lucie aus der Gewalt ihrer Peiniger, die sie über einen langen Zeitraum festgehalten und gefoltert haben. Nach ihrer  Flucht wird das verstörte Mädchen jedoch in der Psychiatrie untergebracht wo man erfolglos versucht zu erkunden wer ihr das angetan hat. Nach einer Weile der Ablehnung anderen gegenüber lässt Lucie Anna an sich heran und die beiden werden Freundinnen. 15 Jahre später dringt Lucie bewaffnet in das Haus einer vierköpfigen Familie ein und erschießt alle. Angeblich hat sie auf einem Zeitungsausschnitt ihre Peiniger erkannt. Anna ist verzeifelt…

 

Fazit:
Martyrs ist ein Film der entweder als sehr gut oder grottenschlecht empfunden wird. Meine Meinung dazu nähert sich eher der zweiten Kategorie, um nicht zu sagen ich sehe ihn, besonders im zweiten Teil, als Angriff auf meine Intelligenz an, aber auch in der ersten Hälfte weiß er durch Ungenauigkeiten und Logiklöcher zu bestechen.
Fangen wir an bei einem wohlgenährten Mädchen, dass angeblich unterernährt und dehydriert aufgegriffen wurde. Gut, die kindliche Darstellerin sah der adulten sehr ähnlich – Pluspunkt, sah aber nicht wirklich verhärmt aus – Oberflächlichkeiten, OK.
Nach ihrem Aufgreifen kommt sie anstatt in professionelle Behandlung und Geborgenheit, in eine Klinik, die mit Kindern mit geistiger Behinderung belegt ist (eine erhebliche Anzahl von Trisomie 21 Kindern wurde gezeigt) wie auch mit normalen Waisen wie Anna – aha da gab es also ein interessantes integratives Heim/Psychoprojekt in den Siebzigern oder man wurde einfach Querbeet kasaniert?! Und später nach dem Massaker bei ihrer Peinigerfamilie, warum gehen die Mädels nicht? Wozu versucht Anna die Leute zu begraben? Will sie alles saubermachen und dann einziehen? Und nach Achtzigern sieht da auch nichts aus, außer ein paar alten Autos.

Aber davon abgesehen hätte es ein guter berührender Film werden können, wäre zur rechten Zeit Schluss gewesen. In gewisser Weise kann man das sklavische Verhalten Annas auch verstehen, sie liebt Lucie seit ihrer Kindheit, doch die kann diese Gefühle nicht interpretieren, ist aufgrund ihrer Traumatisierung zur sehr auf sich selbst konzentriert.
Was dann jedoch folgt lässt einen vor Scham im Boden versinken.*

Sicher berührt dieser Film streckenweise und die schauspielerische Leistung Mylene Jamapanois ist überzeugend und über jeden4-10
Zweifel erhaben, aber „Martyrs“ als etwas anderes als sinnlose Gewaltdarstellung zu sehen, halte ich für eine absolute Fehlinterpretation.

REGIE PASCAL LAUGIER DARSTELLER MYLÈNE JAMPANOÏ / MORJANA ALAOUI / JULIETTE GOSSELIN / MIKE CHUTE / XAVIER DOLAN-TADROS DREHBUCH PASCAL LAUGIERPRODUZENT RICHARD GRANDPIERRE / SIMON TROTTIERVERLEIH SENATOR FILM

*Spoilering

*
Als Lucie dann das zeitliche segnet und Anna die Frau im Keller entdeckt, warum ruft sie keine Hilfe? Warum dümpelt sie weiterhin im Haus herum?
Eine unerhörte Peinlichkeit ist dann das Auftreten dieser schwarzbekittelten Truppe, die „künstlich“ Märtyrer erschaffen wollen, um zu sehen, was die auf der anderen Seite sehen.
Der kaltherzige Folterung Annas irgendetwas künstlerisches abzuringen, lässt mich an der Fangemeinde zweifeln. Dann das Ganze noch tiefgründig, gut begründet und dann noch mit Pasolinis „120 Tage von Sodom“ zu vergleichen, verursacht bei mir nur Kopfschütteln.
Sicher, wir sehen hier nicht den üblichen TorturePorn, aber dennoch kann man diesen Film nicht anders kategorisieren. Ob die Gewalt da zur sexuellen Befriedigung, aus pseudosektischen Gründen oder philosophisch-metaphorisch erfolgt ist ohne Belang.
Menschen sind Schweine und dass es Individuen gibt, die aus politischen Gründen foltern, an die Grenzen gehen um zu erforschen oder einfach, um sich daran zu erfreuen, ist erschreckend genug und das Zeigen einer solchen Gewalt in filmischer Form, um darauf hinzuweisen und dies anzuprangern, hat durchaus auch seine Berechtigung, jedoch tut dies Martyrs nicht. Er zeigt eine Gruppe Menschen, die durch ihr Auftreten schon ins Lächerliche gezogen wird und die Frauen foltern, um eine gewisse Information zu erhalten. Was will uns Laugier damit sagen?

20 Gedanken zu „Blutzeugen“

  1. Ja gut, mit einem bisschen guten Willen kann man in viele Filme etwas hineininterpretieren und wenn ein Besserwisser, der ein paar französische Philosophen gelesen hat das hier so macht, soll er. Ich frage mich dann aber auch, warum das Ding mit so einem intellektuellen Hintergrund praktisch nur auf Fantasy-Festivals lief? Hätte man den Film dann nicht einem breiteren Publikum zugänglich machen sollen?
    Und mit diesem philosophischen Ansatz verstehe ich dann den ersten Teil des Filmes auch nicht. Anfang und Ende sind wie zwei Filme zusammengehauen, die Cinefacts Diskussion (also der nachtmensch 76 Text) bezieht sich nur auf das letzte Drittel, wo bleiben Bataille und Foucaulte vorher?
    Warum bringt man in einem Film, der so kalt und unbarmherzig ist, eine so absolut lächerliche Sekte ein, Leute bei deren Gehabe und Anblick man unweigerlich lachen muss. Absicht?
    Fragen über Fragen. Aber ich bin bereit darüber nachzudenken und mich eines besseren belehren zu lassen.

  2. Frau Flinkwert hat recht. Bei dem Film gehen die Meinungen sehr weit auseinander. Während die einen hier der Meinung sind man müsse sich mit den französischen Philosophen auskennen, um den Film wirklich zu verstehen, den Symbolismus um das Märtyrium etc pp, sagt die andere Fraktion, zu der ich mich auch eher zähle, – alles nur vorgeschoben. Der Film ist gewalttätig, nicht gewaltverherrlichend und hat sicherlich auch eine Botschaft, aber es fällt mir schwer ihn ernst zu nehmen. Dunkle Geheimbünde, bestehend aus vielen alten weißhaarigen Leuten finde ich immer ziemlich albern und unglaubwürdig. Und die Begründung warum das Ganze inszeniert wird ist mir auch nicht genug.
    Trotzdem würde ich sagen: sehe ihn Dir an, es ist auf jeden Fall ein Film, den man gesehen habe sollte, wenigstens um sich ein eigenes Bild zu machen. Wäre er schlecht schlecht hätte er 0 Punkte bekommen 😉

  3. Den Film insgesamt. Dieser Mix aus „Hellraiser“ (da hatten wir den Exzess durch den Schmerz schon mal) und „die 120 Tage von Sodom“ (noch mal das Gleiche, mit Sex und Schmerzen… habe nur den Marquis de Sade gelesen, den Film nicht gesehen) kam mir vor wie kalter Kaffee. Und ich gebe dir vollkommen Recht: Der Film splitet sich in zwei Hälften, die nicht wirklich zusammenpassen. Da hätte man mehr daraus machen können – wie so oft. Meine Deutung.

  4. Das mit dem breiteren Publikum ist immer so eine Sache, gerade bei solchen Filmen. Find erst einmal einen Verleih, der das Ding rausbringt, finde dann noch Kinos, bzw. Ketten, die bereit sind, den ins Programm aufzunehmen. Nach allem, was ich seitens Laugier gehört habe, war die Bereitschaft bei ihm da, nur nützt das alles nichts, wenn dann die Distributoren mit dem Film ein Problem haben. So kommt es dann halt, dass Genrefilme monatelang, manchmal auch Jahre über die üblichen Festivals tingern und nie einen vernünftigen Kinorelease bekommen.

    Und die Sekte: Ob die lächerlich ist, das muss jeder für sich entscheiden – ich persönlich fand die ziemlich glaubwürdig, zumal es da in der Realität weit absurdere Beispiele gibt. Schau Dir mal die Sektenführer der 70er und 80er an: Aus heutiger Sicht unglaublich, dass denen jemand gefolgt und nicht gleich in schallendes Lachen ausgebrochen ist. Insofern denke ich, dass man die Sekte und ihre Aufmachung auch im Kontext der filmischen Realität (und damit seiner Zeit) betrachten muss.

    Und zu der vermeintlichen Inkohärenz hinsichtlich des Stils: Ich denke, dass Laugier einfach die Genre durchexerziert, weil er so falsche Fährten legen kann. Es ist im Grunde das, was Haneke mit Funny Games gewollt, aber nicht geschafft hat: Eine Reflexion über ein filmisches Genre, seine Konventionen und seine Wirkung beim Zuschauer. Ich glaube, dass das letzte Drittel bei Weitem nicht so intensiv wäre, würde dieser in eine völlig andere Richtung deutende Vorbau des ersten Drittels fehlen. Einfach, weil hier die Genre mit unterschiedlicher Wirkung auf die Emotionen des Zuschauers spielen. Dazu kommt dann noch, dass dieses intertextuelle Moment des Spiels mit den Genre auch noch darauf verweist, dass der Film an sich intertextuell gelesen werden muss, so wie es z.B. der Typ bei cinefacts gemacht hat..

  5. Also zu den Sekten der Siebziger und Achtziger sehe ich da keine Parallelen. An eine so homogene Sekte, die über Jahrzehnte so systematisch und strukturiert vorging kann ich mich nicht erinnern. Aber die Gruppe erinnerte mich ein bisschen an diese Existentialistenclubs der 50iger.

    Den Teil mit der intertextuellen Lesung des Filmes lasse ich mir über Nacht erstmal auf der Zunge zergehen.

  6. …Salve! 😉
    (..oder.. Immer wenn ich Pillen nahm. ;-))

    Wann nimmst Du dir endlich
    mal diese Klassiker-Serie vor??!!!.. 😉

    …………

    Lief seinerzeit im ARD-Vorabend-Programm.
    Hat das Bubenherz erfreut. ;-D

  7. Naja..
    Für euch Mädels ist das ja ganz normal,
    mit den Pillen und so… ;-))
    (Hab mir irgendwann mal ein paar Folgen aus
    dem Netz gezogen. Herrlich naive Synchro-Dialoge. 😉

    War heute mal wieder im örtlichen TEDI (Ein-Euro-Laden)
    und hab ein nostalgisches Film-Schmankerl entdeckt.

    …………

    Das Original – für läppische 3 Euro. 😉
    Bei Amazon löhnt man aktuell 18,99 Euro.
    (Amazon ist ja sooo supergünstig!)

    Guck ich mir heute nach Mitternacht an.
    (Mir stellt es jetzt schon die Nackenhaare hoch.. 😀

  8. Ich habe mal eine Vincent Price Doku gesehen, da sprach er über die Dreharbeiten zur Fliege. Die Szene am Schluss, in der sich der Professor (Fliege mit seinem Kopf drauf) im Spinnennetz verfängt und um Hilfe schreit, mussten sie unendlich oft drehen, weil Price und Marshall ständig loslachen mussten. Die Vorstellung einer schreienden Fliege mit Menschenkopf fanden die beiden ungemein erheiternd 🙂

  9. Die Spannung steigt… 😉
    (Ich mampfe aber keine Chips, sondern schmauche
    dabei ein Tütchen. Das dämpft quasi die Anspannung. ;-))
    Selten, dass Original und Neuverfilmung sich nicht „beissen“.
    Gott sei Dank hab ich ENDLICH! die Soundtracks
    der 86’/89′-Versionen im Netz „aufsammeln“ dürfen.
    (Mein Herzerl schlug wie wild… ;-D

    Hier noch der passende Screenshot zur 58′-O-Fassung:

    ……….

    „CGI“ vom Feinsten!.. 😀

NurZuTrauDich!

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